Fachtagung „Krisenbewältigung zwischen Selbstbestimmung und Zwang“

Bericht über die Fachtagung am 16.11.2016 – „Krisenbewältigung zwischen Selbstbestimmung und Zwang

Der Einladung zur Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) Rheinland-Pfalz, waren diese Woche rund 100 Beschäftigte verschiedener psychiatrischer Dienste, Angehörige und Psychiatrieerfahrene des Landes gefolgt. Im Congressforum in Frankenthal beschäftigten sie sich mit dem Thema: “Krisenbewältigung zwischen Selbstbestimmung und Zwang“.
Zu Beginn der Veranstaltung sprach sich der Frankenthaler Oberbürgermeister Martin Hebich klar dafür aus, dass die Kommunen als Kostenträger der Eingliederungshilfe hierbei eine besondere Verantwortung haben um eine gute psychiatrische Behandlung und weitergehende Rehabilitation von psychisch kranken Mitbürgern zu gewährleisten. In Frankenthal habe man dadurch ein gutes Netz an Unterstützungsangeboten aufgebaut, das als vorbildlich zu bezeichnen ist.
Danach beschäftigten sich verschiedene Referenten mit der von Josef Bernardy, DGSP-Vorstandssprecher, aufgeworfenen Frage, wie Krisen von psychisch kranken Menschen bewältigt werden können ohne Zwang ausüben zu müssen. Wie können es die beteiligten Angehörigen und Behandler schaffen, die Selbstbestimmung zu achten, die ein Menschenrecht darstellt, ohne Behandlung und Hilfen zu verweigern? Eine Antwort gab er sofort: „Krisenbewältigung fängt vor der Krise an. In unserer Beziehung zum Klienten oder Patienten müssen wir die Basis dafür schaffen, dass wir im Krisenfall als echt besorgte Menschen wahrgenommen werden.“
Der bundesweit bekannte Psychiater Dr. Volkmar Aderhold belegte mit Zahlen und Studienergebnissen, dass die bestehenden überwiegend stationären Behandlungsangebote nicht dem entsprechen, was eine gute psychiatrische Versorgung ausmachen sollte. Dem stellte er ambulante Krisendienste entgegen, die das soziale Umfeld der Betroffenen einbeziehen und eine Behandlung zu Hause entsprechend den Bedürfnissen ermöglichen, wie es in anderen Ländern z.B. in Finnland mit guten Erfolgen vorgelebt wird. Besondere Bedeutung habe dabei auch die Art und Weise wie die „Profis“, die in der Psychiatrie arbeiten, ihre Arbeit verstehen und wie ihre innere Haltung zu den psychisch kranken Menschen ist.
Das von ihm entwickelte Konzept des „offenen Dialoges“ war dann auch Schwerpunkt des Beitrages von Maria Thomas, Dipl.-Psychologin in der Einrichtung Bethesda-St. Martin aus Koblenz. Sie berichtete von den praktischen Erfahrungen und positiven Auswirkungen die das Betreuungsteam mache, seit man diesen Handlungsansatz verfolge. Ihr Bericht machte deutlich, dass diese Veränderungen und die gelebten Begegnungen auf gleicher Augenhöhe zwischen Profis, Angehörigen und psychisch kranken Menschen ermöglichen, einen besseren Umgang mit psychischen Krisen im Sinne der psychiatrieerfahrenen Menschen und auch der Beschäftigten zu finden. Sie beobachtete dabei Auswirkungen auf alle psychiatrischen Unterstützungsangebote und die daraus resultierende Netzwerkarbeit.
Peter Weinmann als Betroffener und Projektleiter der Saarbrücker Anlaufstelle für Selbstbestimmt Leben, machte die verheerenden Folgen von Zwangsbehandlung deutlich, an erster Stelle die damit einhergehende Traumatisierung. Sein Plädoyer die Situation der Betroffenen zu akzeptieren, die jedes Vertrauen in eine psychiatrische Behandlung verlieren, die sich auf Zwangsmaßnahmen gründet, war sehr beeindruckend.
Monika Zindorf die Vorsitzende des Landesverbandes psychisch erkrankter Menschen wünschte sich Beharrlichkeit der Behandler sowie den Ausbau von Behandlungen und Hilfen, die die psychiatrieerfahrenen Menschen und die Angehörigen brauchen. Dazu wäre auch bezahlbarer Wohnraum und ambulante Unterstützung zu rechnen um normal leben zu können.
Unter dem Titel „Wie verändert sich eine Klinik“ schilderte Dr. Sylvia Claus, die Chefärztin der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Klingenmünster sehr eindrücklich die Veränderungen, die mit dem Einbezug von „Genesungsbegleitern“, das sind ausgebildete Betroffene, und einer veränderten Grundhaltung der Behandler möglich werden.
Im abschließenden Austausch des Publikums mit den Referenten, der von Angela Lichtenthäler, DGSP-Vorstandssprecherin, moderiert wurde, konnten einige der angesprochenen Themen ausführlich vertieft werden. Auf die interessierten Nachfragen gab es aus den unterschiedlichen Blickwinkeln und Praxiserfahrungen Antworten, die es ermöglichen sollten zu einer guten Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung in Rheinland-Pfalz beizutragen.
Für den DGSP-Vorstand
Angela Lichtenthäler

Die Einführung durch Josef Bernardy und die Beiträge von Volkmar Aderhold und Peter Weinmann können hier heruntergeladen werden

Begrüßung und Einführung ins Thema

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